Geschäftsmäßige Förderung des Suizids unter Strafe stellen

Kathrin Vogler & Halina Wawzyniak: Häufige Fragen zu unserem Gesetzentwurf über die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung des Suizids

Warum sprecht ihr nicht über Sterbehilfe?

Sterbehilfe ist ein Euphemismus. Zudem verstehen viele Menschen unterschiedliche Dinge darunter. Deswegen wählen wir lieber Begriffe wie Suizidbeihilfe, Suizidassistenz oder eben Förderung des Suizids.

Was bedeutet "geschäftsmäßige Förderung des Suizids"?

Geschäftsmäßig im Sinne des vorgeschlagenen Gesetzentwurfes meint eine wiederholte bzw. nachhaltige Tätigkeit. Auf die Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an. Das ist der zentrale Unterschied zu „gewerbsmäßig.“ Grundsätzlich reicht ein erst- und einmaliges Angebot nicht, es sei denn, es stellt den Beginn einer auf Fortsetzung angelegten Tätigkeit dar. Erfasst wird auch eine planmäßige Betätigung in Form eines regelmäßigen Angebotes. Geschäftsmäßig im Sinne der Vorschrift handelt daher, wer die Gewährung, Verschaffung oder Vermittlung der Gelegenheit zur Selbsttötung zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Tätigkeit macht, unabhängig von einem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit.

Was bedeutet Absicht?

Laut Gesetzesentwurf soll bestraft werden, wer jemandem in der Absicht, dessen Selbsttötung zu fördern, hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt. Absicht im juristischen Sinn heißt "Wissen und Wollen". Ein „in Kauf nehmen“ des Suizids des Dritten durch die Gewährung, Verschaffung oder Vermittlung, (in der Juristensprache "dolus eventualis"), reicht dafür nicht aus.

Warum das Ganze?

Wiederholte und regelmäßige Angebote für Suizidbeihilfe gefährden die autonome Entscheidung Betroffener. Durch solche Angebote entsteht ein Gewöhnungseffekt, ein Markt, der auch immer angebotsgetrieben ist. In einer auf Verwertung ausgerichteten Gesellschaft (manche nennen sie Kapitalismus) droht eine Verschiebung der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Es besteht die Gefahr, dass als „normal“ angesehen wird, am Ende des Lebens niemandem auf der Tasche liegen zu wollen und deshalb den Suizid zu wählen. Eine autonome Entscheidung verlangt aber, frei von einem Verwertungsdruck entscheiden zu können. Daher soll ein solches Dienstleistungsangebot verhindert werden.

Wer macht sich strafbar?

Strafbar machen sich etwa Personen, die als Vereinsvorstände die regelmäßige Tätigkeit ihres Vereins darauf anlegen, Menschen für den Fall eines beabsichtigten Suizides ein tödlich wirkendes Gift zu beschaffen oder die Durchführung des Suizids in ihren Räumen anzubieten. Auch jemand, der wiederholt Suizidwillige über Methoden des Suizids und die Beschaffung der dazu erforderlichen Mittel berät, könnte mit diesem Gesetz bestraft werden, wenn er/sie damit absichtlich den Suizid fördert.

Wird Beihilfe zum Suizid damit strafbar?

Suizid ist seit 1871 in Deutschland keine Straftat mehr, und das soll auch so bleiben. Deswegen kann auch die Beihilfe zum Suizid nicht bestraft werden. Der Gesetzentwurf will das auch nicht. Personen, die nicht beabsichtigen, die Förderung des Suizids geschäftsmäßig auszuüben, also zu einer regelmäßig wiederkehrenden Tätigkeit zu machen, brauchen mit diesem Gesetzentwurf keine Bestrafung zu fürchten.

Warum nicht "gewerbsmäßig"?

Der Begriff "gewerbsmäßig" bietet zu viele Schlupflöcher. Der Verein "Sterbehilfe Deutschland" etwa, der seine "Leistung" nur Mitgliedern anbietet, fordert für besonders zügige Bereitstellung der tödlichen Medikamente einen einmaligen Mitgliedsbeitrag von 7.000 Euro (plus Gutachterkosten, Reisekosten, Medikamentenkosten...). Dennoch gilt seine Tätigkeit nicht als "gewerbsmäßig", seine "Suizidbegleitungen" lässt er bewusst nur Ehrenamtliche ausführen, um diese Klippe zu umschiffen. Bei "geschäftsmäßig" hingegen kommt es nicht auf die offensichtliche Gewinnerzielungsabsicht an.

Was ist mit ÄrztInnen, etwa in Hospizen und Palliativstationen?

ÄrztInnen in der Palliativmedizin leisten keine Sterbehilfe, sondern therapieren palliativ. Das heißt, sie erleichtern Schwerkranken die letzte Lebensphase, indem sie Schmerzen oder Atemnot lindern und andere Symptome, unter denen die PatientInnen leiden bekämpfen. Damit gelingt es in den meisten Fällen, den Menschen Lebensqualität und Lebenswillen auch am Ende des Wegs zurückzugeben. Für die Akzeptanz der Palliativmedizin in der Gesellschaft und für das Vertrauen der PatientInnen und Angehörigen ist es zentral, dass die inhaltliche Trennung zwischen Palliativmedizin und Suizidassistenz erhalten bleibt. Deswegen halten es die PalliativmedizinerInnen mehrheitlich für richtig, dass die geschäftsmäßige Förderung des Suizids verboten wird.

ÄrztInnen handeln nicht mit dem Wissen und Wollen, den Suizid eines Dritten zu fördern. Die Inkaufnahme eines eventuellen früheren Todes durch die Verabreichung hoch wirksamer Medikamente ist klar unterschieden von der Förderung des Suizids, denn das Ziel dieser Behandlung ist die Linderung der Symptome, nicht das (frühere) Ableben des Patienten/der Patientin.

Was ist mit dem so genannten "Sterbefasten"?

Die palliative Versorgung und die Betreuung von Sterbenden, die Nahrung und Flüssigkeit verweigern, fallen auf keinen Fall unter diesen Gesetzentwurf. Sie sind nicht nur weiter erlaubt, sondern rechtlich sogar geboten, da eine Zwangsernährung ohne Zustimmung des Patienten/der Patientin als Körperverletzung strafbar wäre.

Müssen ÄrztInnen mit diesem Gesetz PatientInnen am Lebensende weiterbehandeln, auch wenn diese es nicht wollen?

Nein. Jede medizinische Behandlung ohne Zustimmung des Betroffenen ist Körperverletzung und damit eine Straftat. Niemand darf Menschen zwingen, sich gegen ihren Willen behandeln zu lassen.

Dürfen Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter Sterbewilligen nicht mehr helfen?

Doch. Dieser Gesetzentwurf ist kein Sondergesetz für Ärztinnen und Ärzte oder andere Berufsgruppen. Solange sie dies nicht zu einem regulären Bestandteil ihrer Tätigkeit machen, d.h. solange sie nicht mit Wissen und Wollen wiederkehrend den Suizid Dritter fördern, dürfen auch Angehörige der o. g. Berufe Menschen beim Suizid unterstützen. Es bleibt ihre individuelle Gewissensentscheidung im Einzelfall.

Was ist, wenn jemand einem Suizidwilligen das Mittel dazu verschafft, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass es für einen Suizid gedacht ist?

Dieser Fall wäre nicht relevant, da diese Person ja nicht die Absicht haben kann, den Suizid zu fördern.

Was ist mit Angehörigen, FreundInnen, NachbarInnen?

Da Angehörige in der Regel nicht in die Situation kommen, eine Suizidbeihilfe zu wiederholen und es ganz gewiss nicht auf eine Wiederholung anlegen, sind sie durch dieses Gesetz nicht betroffen.

Warum wird nicht zwischen tödlich erkrankten und anderen Menschen unterschieden?

Wenn man eine Regelung zur Suizidbeihilfe trifft, die diesen Unterschied macht, greift der Gesetzgeber tief in die persönliche Autonomie von Menschen ein. Wenn jemand, der tödlich erkrankt ist, Zugang zu Suizidbeihilfe erhält, dann könnten auch andere Menschen unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz für sich das "Recht" auf Suizidbeihilfe einklagen.

Außerdem sind wir der Auffassung, dass Kriterienkataloge dieser Art immer Gefahr laufen, von außen eine Lebenswertentscheidung zu treffen. Das steht dem Staat aber nicht zu.

Was ist mit Menschen mit Demenz?

Menschen mit fortgeschrittener Demenz oder mit geistiger Behinderung, die keine frei verantwortlichen Entscheidungen treffen können, sowie Minderjährigen darf man auf keinen Fall Mittel zur Selbsttötung verschaffen. Das ist aber auch schon heute so und es gibt keinen Gesetzentwurf, der das ändern will.

Was passiert mit Angehörigen oder FreundInnen, die etwa einen Sterbewilligen in die Schweiz begleiten, damit er dort ein geschäftsmäßiges Angebot der Suizidassistenz wahrnehmen kann?

Angehörige oder nahestehende Personen bleiben nach Absatz 2 des Gesetzes auch weiterhin straffrei, wenn sie indirekte Beihilfe leisten und selbst nicht geschäftsmäßig handeln.

Warum wird nicht das Problem angegangen, dass ÄrztInnen in verschiedenen Bundesländern unterschiedlichen Standesregeln unterworfen sind?

Das Standesrecht wird von den Landesärztekammern beschlossen. Das Land greift nur ein bzw. genehmigt es nicht, wenn das Standesrecht mit dem Landesrecht in Konflikt kommt. Da die Ärztekammern föderal organisiert sind, ist eine bundeseinheitliche Lösung schwierig umzusetzen, es gibt hiergegen auch ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken.