Blauhelme oder Grünhelme? Oder lieber keine?

Eine Einschätzung zum Parteiprogramm von Kathrin Vogler

DIE LINKE gibt sich ein neues Programm. Ein solches Grundsatzprogramm ist ja kein Wahlprogramm, das nur erklärt, was eine Partei in den nächsten vier Jahren tun will, sofern sie denn mindestens 50 Prozent der Stimmen erhält. In ihrem Grundsatzprogramm legt DIE LINKE ihre Grundüberzeugungen und Ziele etwa für die nächsten zwanzig Jahre dar. Der Friedensteil des Programms gehört zu jenen, die am umstrittensten waren und sind. Zwischen denjenigen in der Partei, die als PazifistInnen vollständig auf die militärische Option verzichten und die Bundeswehr abschaffen wollen und denjenigen, die die Bundeswehr nicht nur für die Landesverteidigung, sondern nach „Einzelfallprüfung“ auch für Einsätze im Rahmen der UN einsetzen wollen, scheinen Kompromisse schwer möglich. Dennoch wurde sich im Vorfeld des Erfurter Parteitags weitgehend geeinigt. So schließt DIE LINKE lediglich „Kampfeinsätze“ aus und fällt damit hinter die Beschlüsse der PDS vom Münsteraner Parteitag 2000 zurück und sie fordert, dass Deutschland lediglich aus den militärischen Strukturen der NATO austritt.

Dennoch wird in dem neuen Programm der Ausstieg aus dem Militär als reale Vision erkennbar. Deswegen hat sich Kathrin Vogler bereits entschieden, als Pazifistin beim Mitgliederentscheid auch mit JA zu stimmen.

Schon im ersten Satz der Einleitung des entsprechenden Kapitels bekennt sich DIE LINKE zur Gewaltfreiheit, sowohl  zwischen Staaten als auch innerhalb der Gesellschaft. Im Weiteren beschreibt sie das Leitbild des gerechten Friedens, der mehr ist als die Abwesenheit von Krieg. Damit greift DIE LINKE ein Friedensverständnis auf, wie es die Kirchen, die Friedensbewegung und Teile der Friedensforschung in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben. Das Konzept der „Vernetzten Sicherheit“ und die zivilmilitärische Zusammenarbeit  werden unmissverständlich abgelehnt.

Folgerichtig ist die Idee eines „Willy-Brandt-Korps“ für internationale Katastrophenhilfe, wie sie im Programm verankert ist. Dieses ist ausbaubar zu einer pazifistischen Alternative zu Militäreinsätzen. Heute sind viele Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, ja auch Friedensprojekte in Kriegs- und Krisengebieten auf die Zusammenarbeit mit dem Militär angewiesen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Es gibt weltweit keine zivile Organisation oder Institution, die über die notwendige Logistik verfügt, um Hilfsgüter und MitarbeiterInnen schnell in entlegene oder umkämpfte Gebiete bringen zu können. Eine vollständig zivile Organisation zu schaffen, die dies bewältigen kann, könnte Militäreinsätzen einen Großteil ihrer Legitimation in der Öffentlichkeit nehmen. Der Slogan „helfen statt schießen“ bekommt mit dieser Institution eine reale Gestalt.

Die ausdrückliche Ablehnung von Militäreinsätzen im Rahmen der UNO nach Kapitel VII (so genannte „friedenschaffende“ oder „friedenserzwingende“ Einsätze) verhindert, dass DIE LINKE den Weg der Grünen geht. Alle UN-mandatierten Militäreinsätze der letzten Jahre gingen weit über die Blauhelm-Definition nach Kapitel VI hinaus. Es gibt also praktisch kein Einfallstor für linke Zustimmung zu Bundeswehreinsätzen im Ausland.

Dass DIE LINKE trotz ihres Bekenntnisses zu Gewaltfreiheit und ziviler Konfliktbearbeitung keine ausschließlich pazifistische Partei ist, liegt auf der Hand. Sie ist aber mit diesem Programm eine, in der Pazifistinnen und Pazifisten eine starke Position haben. Diese gilt es zu verteidigen und auszubauen.