Der kurze Weg vom Nachhaltigkeitsphilosophen zum Pharmalobbyisten
Kathrin Vogler hat nachgehakt, wer Wirtschaftsminister Habeck davon überzeugt hat, die Patentfreigabe für Corona-Impfstoffe plötzlich für eine schlechte Idee zu halten. BioNTech war's, so das Ministerium. Mit NGOs habe der Minister zwecks Meinungsbildung überhaupt nicht gesprochen. Die taz berichtet ...
am 20. 2. 2022: Patente auf Corona-Impfstoffe: Beraten durch Biontech.
Impfstoff-Patente aufheben? Im Wahlkampf war Robert Habeck dafür, als Vizekanzler ist er dagegen. Überzeugt hat ihn Patentinhaber Biontech.
***
Kathrin Voglers Pressemitteilung am 16. Februar 2022:
Vor knapp einem Jahr hat der heutige Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, noch an die damalige Bundesregierung appelliert, sie solle die zeitweilige Aussetzung der Corona-Impfstoffpatente, wie sie von mehr als hundert Mitgliedsländern der Welthandelsorganisation (WTO), darunter sogar die USA, gefordert wird, unterstützen. Eine Bundestagswahl und einen Regierungswechsel später tut Habeck, nun selbst in Verantwortung, genau das Gegenteil. Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, hat nachgefragt, wie Habeck zu diesem Sinneswandel kam: „Nachdem ich nochmal intensiv mit den Unternehmen gesprochen habe, bin ich der Meinung, dass das uns nicht helfen würde ...“ (jung&naiv, 26.01.2022.)
„Natürlich hat mich interessiert, wer da mit so viel Überzeugungskraft am Gewissen des Ministers geschraubt hat“, so Vogler, „und die Antwort seines Ministeriums auf meine diesbezügliche Frage ist genauso naheliegend wie erschütternd: Er habe seit seinem Amtsantritt mit … verschiedenen Vertretern der BioNTech SE gesprochen, heißt es dort, und die Fachebene des Ministeriums führe permanent Gespräche mit Unternehmen und Unternehmensverbänden der Pharmabranche. Man hat dem Minister also verständlich gemacht, dass eine Patentfreigabe der Branche nicht helfen würde. Das ist ein großer Sieg für die Pharmalobby und ein verheerendes Signal an die weltweite Bewegung für einen TRIPS Waiver.“
Kathrin Vogler weiter: „DIE LINKE unterstützt die Forderung nach einer Patentfreigabe, weil sie den ärmeren Ländern auf diesem Planeten maßgeblich helfen kann, über genügend qualitativ hochwertigen Impfstoff, Arzneimittel und Diangnostika zu verfügen. Und das ist dringend notwendig, denn aktuell liegt die Impfquote im Globalen Süden immer noch bei durchschnittlich unter 10 Prozent und viele der Impfstoffspenden aus dem reichen Norden sind so kurz vor dem Verfallsdatum, dass sie in den schwachen Gesundheitsstrukturen nicht mehr verimpft werden können. Eine Aussetzung der Patente ermöglicht eine gerechtere Impfstoffverteilung, von der auch wir letztendlich profitieren, denn in den Ländern mit geringer Impfquote entstehen die neuen Virusmutationen, die früher oder später weltweit, auch bei uns, das Pandemiegeschehen prägen.“
Kathrin Vogler abschließend: „Inzwischen ist bekannt, dass die BioNTech SE nicht nur Milliardengewinne durch ihre lukrativen Verträge mit den reichen Ländern einstreicht, sondern sogar aktiv internationale Bemühungen hintertreibt, in Afrika eine Impfstoffproduktion als ‚open source‘-Projekt aufzubauen (DIE WELT, 10.02.2022). Es ist eine Schande, dass der aus hiesigen Steuergeldern mitfinanzierte Konzern die pandemische Lage und das Elend der Menschen im globalen Süden ausnutzt, um mit eigenen Fabriken dort seinen Unternehmensprofit noch weiter zu steigern. Aber wirklich skandalös ist, dass der deutsche Wirtschaftsminister von den Grünen ihm dabei offenbar ohne Scham auch noch den Rücken freihält. Wer nun etwa meint, dass Habeck als Grüner sicher auch die Erfahrungen von Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen oder Regierungen der armen Länder angehört hätte, bevor er seinen Schwenk zum Sprachrohr der Pharmalobby vollzog, hat sich getäuscht. Für seine Meinungsbildung hat das Gespräch mit den Profiteuren der Pandemie ausgereicht, die Opfer interessieren ihn offenbar nicht.
Und sein Engagement für die Interessen der Biontech-Aktionäre ist auch wirtschaftspolitisch kurzsichtig: Wir können den Virus nur besiegen und künftige Lockdowns verhindern, wenn nicht nur die Reichen, sondern alle Menschen Zugang zu Impfstoff, Tests und Medikamenten erhalten.“