"Es gibt keine Rechtfertigung für den Bundeswehreinsatz in Syrien!"

„In der letzten Woche wurde die deutsche Beteiligung am Krieg in Syrien im Eiltempo durch den Bundestag geprügelt: Dienstag Beschluss der Bundesregierung, Mittwoch erste Lesung im Bundestag, Freitag dann abschließende Lesung. Noch bis vor kurzem hieß es, die Bundesrepublik werde sich nicht militärisch am Syrienkrieg beteiligen. Zu denjenigen, die für den Kriegseinsatz in Syrien warben, gehörte auch Dominic Johnson von der taz. Ich habe mich über seinen Artikel so geärgert, dass ich einen Leserbrief geschrieben habe, den die taz wenigstens abgedruckt hat:

Krieg bleibt ein Verbrechen

Ist vor Drucklegung niemandem aufgefallen, dass Dominic Johnsons Argument, die Kanzlerin habe mit ihrer einseitigen Flüchtlingsaufnahme das Verteilungsproblem in Europa erst hervorgerufen, genau das Argument der Rechten reproduziert? Merkels Entscheidung änderte doch gar nichts daran, dass die Flüchtlinge in der EU sind, in Ungarn waren sie doch schon. Und was soll bitte die Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Argumentation? Weil die Bundesrepublik die Flüchtlinge aufgenommen hat, muss sie auch in den Krieg ziehen? Weil beides unilateral ist? Will der Autor wirklich argumentieren, dass jetzt in der EU alle einseitigen Maßnahmen irgendeines Landes von allen anderen nachvollzogen werden müssen? Wegen der Aufnahme der Flüchtlinge?

Zurück zum Syrieneinsatz: Dominic Johnson meint, wenn man eine Strategie hat, kann man Krieg führen, z. B. in Syrien. Nur: Wo ist denn die Strategie? Die Strategie, die Dominic Johnson im Krieg gegen den IS zu erkennen glaubt, sieht außer ihm niemand. Dominic Johnson nennt zwar ein paar machtpolitische Kalküle (die Kurden stärken, nicht Assad den Sieg über Rakka lassen), aber das ist doch nicht im Ansatz eine Strategie. Mal ganz davon abgesehen, dass es außer den Kurden doch kaum bewaffnete Verbände in Syrien gibt, die man auch nur im Entferntesten als ‚demokratische Kräfte‘ bezeichnen könnte. Sollen etwa die Kurden allein das Nach-Kriegs-Syrien führen?

Und dass die Grundsatzdebatte über Militäreinsätze schon gelaufen wäre, kann Dominic Johnson zwar behaupten, wahr wird das dadurch aber längst nicht. Gerade im Krieg gegen den Terror gibt es doch kein einziges erfolgreiches Beispiel: Irak, Libyen, Afghanistan, Somalia - der Krieg gegen den Terror ist gescheitert und ist auch in Syrien zum Scheitern verurteilt, noch vor allen demnächst zu erwartenden Truppenaufstockungen. Dem ganzen setzt aber die Krone auf, dass Dominic Johnson in seiner Kriegsbegeisterung jetzt auch noch Clausewitz aufwärmt: ‚Das Militär ist ein Werkzeug zur Herstellung eines politisch gewünschten Zustandes‘. Ist das nicht genau der Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln? Für mich und viele andere aber bleibt der Krieg ein Verbrechen an der Menschheit. Auch, wenn er aus vermeintlich rationalen Beweggründen geführt und intellektuell spitzfindig begründet wird.“

Kathrin Vogler steht als Bundestagsabgeordnete der LINKEN und Obfrau im Unterausschuss für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln für Antikriegspolitik ohne Wenn und Aber.