Konsequenter Ausbau ziviler Konfliktbearbeitung als Alternative zum Militär

Rede

Zivile Konfliktbearbeitung muss eine Alternative zur Kriegsführung sein. Der Umsetzungsbericht der Bundesregierung zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention ist eine friedenspolitische Bankrotterklärung. Die fatale zivil-militärische Zusammenarbeit muss aufhören.


Rede im Wortlaut:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Als die Bundesregierung 2004 den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ vorlegte, war ich beim Bund für Soziale Verteidigung beschäftigt; das ist ein Fachverband für gewaltfreie Politik und konstruktive Konfliktaustragung.

Wir sahen diesen Aktionsplan damals mit gemischten Gefühlen: einerseits mit Erwartungen, weil wir immer gefordert hatten, dass die Politik die zivile Konfliktbearbeitung endlich ernst nimmt, andererseits mit großer Skepsis, weil auch dieser Aktionsplan nicht frei von militärischer Logik war. Das war auch nicht anders zu erwarten. Wenn wir uns erinnern: Damals befand sich die Bundeswehr schon drei Jahre im Krieg in Afghanistan.


Auch unsere Projektpartner im Ausland haben uns immer wieder völlig zu Recht gefragt: Wie wollt ihr uns eigentlich im Friedensprozess unterstützen, während euer Land selbst Krieg führt? Für mich gehört deshalb beides zusammen: den Krieg zu bekämpfen, auch wenn er als humanitärer Einsatz oder Krieg gegen den Terror daherkommt, und gleichzeitig eine Kultur des Friedens, eine Kultur der Gewaltfreiheit zu entwickeln und umzusetzen.


Denn Gewalt das sehen wir heute in Afghanistan zerstört nicht nur auf der Gegenseite, sondern sie verändert auch unsere Gesellschaft, und das zum Negativen. Projekte wie der Zivile Friedensdienst haben daher eine ganz besondere, auch eine politische Dimension. Sie zeigen nämlich reale Alternativen auf, wo andere Krieg für alternativlos halten.


Ich will aus dem Sudan berichten. Ich war im November letzten Jahres mit einigen Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion dort. Alle haben erwartet, dass es nach den Jahrzehnten blutigen Bürgerkriegs und nach dem schwierigen Prozess im Hinblick auf das Unabhängigkeitsreferendum jetzt zu neuen Gewalttaten kommen würde. Dass das nicht geschah, dafür haben auch die Fachkräfte des Zivilen Friedensdienstes im Sudan mit ihren Partnern gesorgt. Wir konnten die Ergebnisse im November beobachten. Sie haben es tatsächlich geschafft, die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen und sogar die verfeindeten Parteien zusammenzubringen und mit allen gemeinsam ein Aktionsprogramm für ein gewaltfreies Referendum zu erarbeiten einen Friedensvertrag von unten, der von allen Beteiligten dann auch tatsächlich umgesetzt wurde.


Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nur zivile Konfliktbearbeitung: Die Menschen unterstützen, eigene friedliche Lösungen zu finden.
Aber die Vermittler können ihren Erfolg nicht mehr feiern. Ende 2010 wurde der zivile Friedensdienst im Sudan eingestellt. Die Fachkräfte sind ausgereist, und die so wichtige Unterstützung, die der DED dort bisher geleistet hat, unterbleibt. Warum? Das kann uns das zuständige Ministerium, das BMZ, immer noch nicht erklären. Ich frage Sie jetzt: Wie ernst nehmen Sie die zivile Krisenprävention, wenn Sie in so einer kritischen Situation ein solches Projekt beenden?

Eine Antwort auf diese Frage liefert der dritte Umsetzungsbericht. Über viele Seiten hinweg beschäftigen Sie sich da nämlich mit Ausstattungshilfe für ausländische Streitkräfte, militärischer Ausbildungshilfe, militärischer Terrorismusbekämpfung, UNO-Militärmissionen, Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der EU und sogar mit der NATO-Operation in Afghanistan. Ihnen ist, mit Verlaub, das Zivile tatsächlich völlig abhanden gekommen. Positive Beispiele wie der zivile Friedensdienst im Sudan kommen dabei unter die Räder. Deswegen ist dieser Bericht eine erschütternde friedenspolitische Bankrotterklärung.


Meine Fraktion, Die Linke, will einen konsequenten Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung, aber bitte nicht als Feigenblatt, sondern als ernsthafte Alternative zum Militär. Dafür braucht es mehr Ideen, mehr Mittel. Da unterstütze ich die Forderung von Frau Bulmahn. Wir brauchen mehr Personal, mehr ausgebildete Fachkräfte. Vor allem jedoch brauchen wir ein Ende der fatalen zivil-militärischen Zusammenarbeit, nicht nur in Afghanistan.