Stoppt die militärische Zusammenarbeit mit Tunesien!

Pressemitteilung

Der tunesische Verteidigungsminister Bartégi und der deutsche Botschafter in Tunis, Peter Prügel, feiern medienöffentlich die tunesisch-deutsche militärische Zusammenarbeit. Mit einer Kleinen Anfrage erkundigte sich Kathrin Vogler nach dem Ausmaß und den Folgen dieser verhängnisvollen Kooperation.

In blumigen Worten beschreibt die Bunderegierung Tunesien als das „bedeutendste Zielland der Transformationspartnerschaft der Bundesregierung mit der arabischen Welt zur Unterstützung von Demokratisierungs- und Reformprozessen". Tatsächlich hat die Bundesregierung das Land in den letzten Jahren zu einem Frontstaat in der europäischen Flüchtlingsabwehr aufgerüstet. Tunesien gilt auch als geostrategisch wichtiger Brückenkopf in der Konfliktregion Nordafrika. Deshalb fördert die Bundeswehr intensiv den Ausbau der tunesischen Armee mit militärischer Ausrüstung und umfangreichen Ausbildungsprogrammen, obwohl die tunesische Regierung ihre Armee sogar gegen die eigene Zivilbevölkerung einsetzt, wenn diese zu Recht gegen die politische, wirtschaftliche und humanitäre Krise im Land protestiert. Wie eng diese Waffenbrüderschaft zwischen Deutschland und Tunesien ist, zeigte sich letzten Herbst, als der tunesische Verteidigungsminister Bartégi gemeinsam mit dem deutschen Botschafter in Tunis, Peter Prügel, medienöffentlich die tunesisch-deutsche militärische Zusammenarbeit feierte und Botschafter Prügel die Bereitschaft der deutschen Regierung noch einmal bekräftigte, das tunesische Militär zu unterstützen.

Kathrin Vogler, friedenspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, und Christine Buchholz, Mitglied im Verteidigungsausschuss für die Fraktion DIE LINKE im Bundestag, nahmen den Auftritt der beiden Regierungsvertreter in Tunis zum Anlass, sich in einer Kleinen Anfrage u.a. nach dem Ausmaß dieser militärischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu erkundigen – und bekamen gerade dazu selbst in den als Verschlusssache eingestuften Antworten keine umfassende Auskunft.

„Dass die Bundesregierung meine Fragen nach der militärischen Aufrüstung der tunesischen Streitkräfte durch Deutschland „aus Gründen des Staatswohls“ nicht öffentlich beantworten will, ist bezeichnend. Um die außen- und militärpolitischen Aktivitäten der Bundesregierung bewerten zu können, brauchen Parlament und Öffentlichkeit Informationen, zum Beispiel über Art und Umfang der militärischen Ausrüstung aus Bundeswehrbeständen, über die Anzahl und den Auftrag der in Tunesien eingesetzten Bundeswehr-Spezialkräfte der ‚Military Assistance-Mission Fennek‘ und über die Anzahl und den Auftrag deutscher Militärberater in Tunesien. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu erfahren, in welchem Umfang die Bundesregierung in Tunesien Kriegsvorbereitungen unterstützt, trotz der zunehmend instabilen politischen und sozialen Lage in diesem Land.“

Kathrin Vogler weiter: „Die Bundesregierung kann  noch nicht einmal konkrete zivile Maßnahmen benennen, mit denen die Lage der Menschen in Tunesien verbessert und Konflikten vorgebeugt werden könnte. Ihr ‚vernetzter Ansatz‘, der zugleich militärische und zivilgesellschaftliche Mittel zur Bewältigung von Krisen und Konflikten vorsehen soll, wird so ein weiteres Mal als Worthülse entlarvt, mit der die Bundesregierung ihre Politik der ‚militärischen Ertüchtigung‘ in Krisenstaaten rechtfertigt. Stattdessen werden wir mit Sätzen versorgt, wie: ‚Die Kooperation mit ausländischen Streitkräften dient dem Zweck, Verständnis für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Streitkräfte in der Demokratie und das Leitbild des ‚Staatsbürgers in Uniform‘ zu vermitteln‘“.

Christine Buchholz kommentiert die Zusammenarbeit der deutschen und tunesischen Spezialkräfte im Rahmen der Military Assistance-Mission Fennek: „Unter dem Radar der Öffentlichkeit trainieren Spezialkräfte der Bundeswehr tunesische Spezialkräfte. Damit unterstützt die Bundesregierung den sog. ‚Krieg gegen den Terror‘, den verschiedene tunesische Regierungen seit fünf Jahren ungebrochen ausweiten. Anstatt Probleme zu lösen, militarisiert der ‚Krieg gegen den Terror‘ das Land, die Sicherheitskräfte haben weitestgehend freie Hand und Zivilisten geraten ins Visier. Dazu trägt die Bundesregierung ihren Teil bei. Deutsche Soldaten haben in Tunesien nichts zu suchen. Ob der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit, der katastrophalen Krisenpolitik der tunesischen Regierung und der Polizeigewalt kippte rund um den zehnten Jahrestag der tunesischen Revolution die Stimmung im Land, seitdem finden täglich Proteste statt. DIE LINKE unterstützt den Widerstand der tunesischen Zivilgesellschaft und stellt sich gegen den Militarisierungskurs der Bundesregierung.“

Kathrin Vogler abschließend: „Angesichts der fortgesetzten exzessiven Gewaltanwendung von Seiten tunesischer Sicherheitskräfte gegen Oppositionskräfte ist es mehr als zweifelhaft, dass die Bundeswehr die tunesischen Streitkräfte erfolgreich näher an ‚Demokratie und Rechtsstaatlichkeit‘ herangeführt hat. Dass die Bundeswehr in Afrika zunehmend Armeen ausbildet, die gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, muss umgehend beendet werden. Die ‚tunesisch-deutsche militärische Zusammenarbeit‘ richtet sich gegen die Zivilbevölkerung, destabilisiert das Land und verschärft die Spannungen in der Krisenregion Nordafrika. Tatsächlich helfen würde eine Politik, die sich konsequent um die friedliche Beilegung der Konflikte in der Region bemüht, um Abrüstung und den Aufbau gerechter wirtschaftlicher und sozialer Strukturen.“

s.u.: Die Antwort der Bundesregierung auf die KA im Wortlaut

 

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