Titelmissbrauch im Bundestagswahlkampf

Kathrin Vogler

Kathrin Vogler, Bundestagsabgeordnete der Linken im Kreis Steinfurt, fordert Neuwahlen im Wahlkreis 129 (Steinfurt III).

 

Der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der Union, Dieter Jasper, hatte im Wahlkampf vor allem seine Kompetenz als Wirtschaftswissenschaftler in den Mittelpunkt gestellt. Auf allen Plakaten warb er für sich mit einem Doktortitel, den er schon zu diesem Zeitpunkt nicht hätte führen dürfen. Den Wahlkreis gewann er direkt mit einem Vorsprung von nur 1,9 Prozent vor seinem SPD-Konkurrenten. Vogler hält es für wahrscheinlich, dass eine bewusste Täuschung der Wählerinnen und Wähler zu diesem Ergebnis geführt hat.

Den Doktortitel hat Dieter Jasper an einer klassischen Titelmühle erworben, der „Freien Universität Teufen“in der Schweiz, deren Diplome auch in der Schweiz nicht anerkannt sind. Seine Beteuerungen, selbst hereingelegt worden zu sein, hält Vogler für wenig stichhaltig: „Wer einen vermutlich fünfstelligen Euro-Betrag für „Studiengebühren“ an ein Institut bezahlt, das weder über Hörsäle noch über Lehrveranstaltungen verfügt, muss wissen, was er tut.“ Zumal Dieter Jasper seine beruflichen Sporen bei einer bekannten Unternehmensberatung verdient hat.

Bereits in den vergangenen Jahren sind immer wieder CDU-Politiker als Titelbetrüger aufgefallen, etwa 2006 Mario Czaja, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, der ein Diplom desselben Instituts widerrechtlich führte. Im Juni 2009 wurde dem lippischen CDU-Politiker Andreas Kasper ein auf Plagiat basierender Dokortitel von der juristischen Fakultät der Uni Göttingen entzogen, Auf ihrer Website listet die Abgeordnete noch weitere Fälle auf, die sie binnen einer Stunde mit Hilfe des Internet recherchiert hat. Vogler meint: „Jasper hätte diese Fälle kennen müssen.“ Die Staatsanwaltschaft Münster hat strafrechtliche Ermittlungen im Fall Jasper aufgenommen.

Vogler, die im selben Wahlkreis wie Jasper zum Bundestag kandidierte und über die Landesliste der Linken in den Bundestag einzog, will eine Überprüfung aller akademischen Grade von Abgeordneten durch das Bundestagspräsidium durchsetzen. „Titelmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Den Wählerinnen und Wählern soll mit einem gekauften oder ermogelten akademischen Grad Kompetenz vorgegaukelt werden.

 

Die Ursache für derlei Betrügereien sei auch in der Entpolitisierung der Politik zu suchen: „Immer weniger wird danach gefragt, welche Lebenserfahrungen oder politischen Werte ein Kandidat mitbringt, welche Positionen und Interessen er oder sie vertritt. In den Medien und in den Wahlkämpfen der Parteien wird immer stärker personalisiert, gesellschaftliche Eliten reproduzieren sich über ein verkürztes Verständnis von Kompetenz und verteidigen so das politische Feld gegen den eigentlichen Souverän, das Volk, das ja mehrheitlich titellos durchs Leben geht. Gerade in der Union ist ein Doktortitel fast schon ein Muss für politische Ämter. Der Titel wird zur Eintrittskarte für die Elite und damit zum notwendigen Karrierebaustein.“

Die Aberkennung des Mandats und Neuwahlen hält sie für einen notwendigen Schritt: „Die Wählerinnen und Wähler sind massiv über eine wichtige Eigenschaft des Kandidaten getäuscht worden. Niemand kann sagen, wie weit das zum Wahlergebnis beigetragen hat, denn Jaspers Vorsprung betrug lediglich 2765 Stimmen.“

Die Linke im Kreis Steinfurt wird ernsthaft prüfen, das Wahlergebnis beim Wahlleiter und beim Bundestagspräsidium anzufechten. Dabei gehe es nicht um eigene Wahlchancen, so Vogler, sondern um eine Rehabilitierung der Demokratie. Die Kandidatin der Linken hatte bei der Bundestagswahl 6,4 Prozent der Erststimmen erhalten. Sie rechnet auch bei einer Wiederholung nicht damit, den Wahlkreis direkt zu gewinnen.