Viele Falschmeldungen zur e-Card im Umlauf

Leserbrief von Kathrin Vogler, MdB

Bezugnehmend auf untenstehenden Artikel in den Westfälischen Nachrichten vom 25.01.2012 unter dem Titel "Elektronische Karte ist auf dem Vormarsch" äußerte sich Kathrin Vogler mit folgendem Leserbrief:


Vorneweg: Der Artikel zur elektronischen Gesundheitskarte vom 25. 01.2012 enthält etliche Falschmeldungen, doch die wichtigsten Informationen verschweigt er. Die e-Card gefährdet die Sicherheit der Patientendaten, kostet die Versichertengemeinschaft viele Milliarden Euro und verhindert, dass die Patienten selbstbestimmt über ihre Daten verfügen können. Im Einzelnen:

Viele Krankenversicherten wissen immer noch kaum Bescheid über die elektronische Gesundheitskarte und die damit verbundenen Risiken und Kosten. Das liegt daran, dass Bundesregierung, Krankenkassen und Teile der Ärzteschaft dieses höchst umstrittene Projekt unbedingt durchpeitschen wollen . Dazu wird der Bevölkerung auch gerne einmal Sand in die Augen gestreut. Nicht anders kann ich erklären, dass gut informierte Funktionäre wie Christopher Schneider von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe oder Christian Elspas von der Techniker Krankenkasse in dem Artikel vom 25. 01. 2012 gleich mit einer ganzen Reihe von falschen Äußerungen zitiert werden.

Herr Schneider bedauert in dem Artikel, dass Patientendaten wie z.B. Röntgenbilder oder Diagnosen auf der Karte zwar vorerst nicht gespeichert werden könnten. Er suggeriert damit gleichzeitig, dass dies in absehbarer Zeit wohl doch erfolgen solle, nur eben vorerst nicht. Dabei – so Schneider weiter - sei sichergestellt, dass Patienten selbst entscheiden könnten, welche Daten gespeichert würden und wer sie einsehen dürfe.

Weder das eine noch das andere ist wahr: Die e-Card, die jetzt von den Kassen verschickt wird, beinhaltet lediglich die gleichen Versichertenstammdaten wie die bisherige Versichertenkarte. Darauf haben die Versicherten keinerlei Einfluss, zahlen aber bis zu 14 Milliarden Euro dafür.

Aber es gibt auch Pläne für eine elektronische Patientenakte. Ursprünglich sollten sämtliche Patientendaten, Diagnosen, Untersuchungsbefunde und Therapien allerdings auf zentralen Servern abgelegt werden. Nur Ärzte sollten das Recht haben, diese Daten dort einzusehen und neue hinzuzufügen. Um an diese Daten zu gelangen, sollten die Ärzte sich mit ihrem elektronischen Heilberufeausweis legitimieren und der Patient ihnen grünes Licht geben, indem seine elektronische Gesundheitskarte von der Arzthelferin eingelesen wird. Als die Praxistests reihenweise desaströs verliefen und Proteste gegen diese zentrale Speicherung der höchst sensiblen Patientendaten aufkamen, wurde das Projekt erst einmal auf Eis gelegt. Gestorben ist es leider nicht, im Gegenteil: Es ist zu befürchten, dass es gleich wieder aus der Hutschachtel gezaubert wird, wenn die e-Card flächendeckend unter die Leute gebracht ist und online geht. Eine Speicherung der Patientendaten auf der e-Card selbst, wie Herr Schneider dies erwähnt, ist von den e-Card-Betreibern allerdings nie geplant gewesen. Der sehr begrenzte Speicherplatz auf der eGK mit lediglich 32 kB erlaubt dies ohnehin nicht.

Und das Selbstbestimmungsrecht über die eigenen Daten wird es auch nur auf dem Papier geben. Denn am heimischen PC kann man die Karte nicht einlesen. Nur zusammen mit dem Heilberufeausweis des Arztes werden die gespeicherten Daten sichtbar. Dann stellen Sie sich bitte folgendes Szenario vor: Bei der Anmeldung in der Arztpraxis lassen Sie sich Ihre Karte freischalten, bitten die Arzthelferin um eine halbe Stunde Zeit, damit Sie an einem Computer-Terminal (e-Kiosk) ungestört die lateinisch-griechischen Arztbriefe und Diagnosen anderer Ärzte entschlüsseln und selbstbestimmt entscheiden können, was davon der jetzt konsultierte Arzt zu sehen bekommt und was nicht? Und in jeder Arztpraxis gibt es für alle Patientinnen genug Kabinen und Rechner und die Ärzte haben größtes Verständnis dafür, Ihnen bei der selbstbestimmten Verwaltung Ihrer Patientenakte zuzusehen?

Ich bin der Meinung: Patientendaten gehören in Patientenhand, in Papierform oder – wer es denn mag – auch auf einen USB-Stick. Sensible Patientendaten gehören nicht auf zentrale Rechner, wo es nur eine Frage der Zeit ist, dass die Datei mit den „Nachschlüsseln“ in falsche Hände gerät und sämtliche Angaben der Patienten im Internet kursieren.

Die e-Card bedeutet genau das Gegenteil von Selbstbestimmung für die Patienten, kostet Milliarden Euro und gefährdet die Datensicherheit. Darum lehne ich die Karte entschieden ab. Dem Sprecher der Techniker Krankenkasse sei noch gesagt: Die Bundesregierung hat die Krankenkassen verpflichtet, bis Ende dieses Jahres mindestens 70 (nicht 80!) Prozent der Versicherten mit der e-Card auszustatten, sonst bekommen sie einen Teil ihrer Verwaltungsausgaben gekürzt. Eine Verpflichtung der Versicherten hingegen ist im Gesetz nicht vorgesehen. Niemand muss der Kasse ein Foto zuschicken. Die bisherige Versichertenkarte reicht aus, um auch im nächsten oder übernächsten Jahr behandelt zu werden. Ohnehin funktioniert in vielen Arztpraxen die e-Card noch gar nicht, denn manche Ärzte haben die neuen Lesegeräte aus Protest nicht bestellt und viele andere noch nicht installiert.