"Wird es wieder angedacht, in einer Behindertenwerkstatt von den Mitarbeitern die vermögend sind Geld für die Betreuung zu verlangen?"

Vor Kurzem erreichten mich folgende Zeilen:

"Wird es wieder angedacht, in einer Behindertenwerkstatt von den Mitarbeitern die vermögend sind Geld für die Betreuung zu verlangen?"

Ich arbeite in einer WfbM seit drei Jahren. 1989 habe ich schon mal in einer WfbM gearbeitet. Ca. 1993 musste ich einen Sozialantrag ausfüllen. Da ich vermögend bin (eigenes Haus) sollte ich derzeit 1000 DM bezahlen und 500 DM verdienen.
In wie weit wird politisch über ein Entgeld vom Behinderten für die Werksatt nachgedacht?
Es grüßt recht herzlich

G.  L.

Meine Antwort:

Sehr geehrter Herr L.,

gerne beantworte ich Ihre Frage.

Zunächst muss festgehalten werden, dass alle Menschen mit Behinderungen überdurchschnittlich von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Ebenfalls ist eine Aufteilung der Arbeitswelt in den sog. „Allgemeinen Arbeitsmarkt“ und in „Sondereinrichtungen“ festzustellen. 

Diese Situation entspricht nicht den Vorgaben der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,  die in Artikel 27 vorsieht, dass der Staat sichert und fördert, dass Menschen mit Behinderungen „in einem offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei wählen können“ und gleichberechtigt mit anderen sind.

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE formuliert im Antrag „Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorlegen“ (Bundestagsdrucksache: 17/1578):

„Ziel muss die gleichberechtigte berufliche Teilhabe sein und dabei vor allem das Recht auf die Möglichkeit, durch Erwerbsarbeit ein existenzsicherndes Einkommen in und außerhalb von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen zu erzielen“

Die Realität in den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) weist einen Durchschnittslohn von 159€ auf. Diese Vergütung kann nicht als leistungsbezogen bezeichnet werden.

Die Beschäftigten haben Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgeltes nach § 138 Abs. 2 SGB IX: Dieses setzt sich aus der Höhe des zuvor gezahlten Ausbildungsgeldes und einem leistungsangemessenen Erhöhungsbetrag sowie ein Arbeitsförderungsgeld nach § 43 SGB IX (26,00 €) zusammen, insgesamt dürfen 323,00€ nicht überschritten werden.

Neben dem Arbeitsentgelt besteht Anspruch auf Grundsicherung nach SGB XII, inklusive eines Mehrbedarfs (17% des Regelsatzes). Dies gilt nur, wenn eine volle Erwerbsminderung vorliegt.

Wenn die Erwerbsfähigkeit festgestellt wird, dann ist die Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff SGB XII  oder Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II möglich. Letzteres betrifft Menschen mit Behinderungen, die nicht in WfbM arbeiten.

Das Einkommen von Beschäftigten in WfbM unterliegt also in jedem Fall der Bedürftigkeitsprüfung. Angerechnet wird gemäß § 82 Absatz 2 und 3 SGB XII auch das Arbeitsentgelt. Das Arbeitsförderungsgeld und Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgelts im Sinne von § 43 Satz 4 SGB IX werden abgesetzt. Zusätzlich kann von dem Entgelt ein Achtel des Eckregelsatzes zuzüglich 25 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abgesetzt werden.

Somit haben Menschen mit Behinderungen, die in einer WfbM beschäftigt sind, keine Chance auf ein Einkommen über der Höhe des anzurechnenden Einkommens und/oder Vermögens nach SGB XII. Es sei denn, sie beziehen nach 20 jähriger Tätigkeit neben ihrem Arbeitsentgelt Erwerbsminderungsrente.

Hinsichtlich der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen ist langfristig zu überlegen, ob diese angesichts der UN-Behindertenrechtskonvvention überwunden beziehungsweise in soziale Einrichtungen umfunktioniert werden. In diesen sozialen Einrichtungen sollten Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit erhalten, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Dies wäre für die Beschäftigten in WfbM ein wichtiger Schritt für ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft. Die bestehende nachteilsausgleichende Rentenregelung für Werkstattbeschäftigte können dabei weiter geführt werden.

Fest steht, dass es mehr Menschen mit Behinderungen möglich sein muss, sich am sog. „Allgemeinen Arbeitsmarkt“ zu beteiligen.

DIE LINKE befindet sich momentan intern in der Auseinandersetzung zum Thema "Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen". In diesen Diskussionen werden die eigenen Forderungen geschärft und durch externen Sachverstand überprüft. Gerne wird die Bundestagsfraktion DIE LINKE Sie über die Resultate ihrer Arbeit informieren.

Mit freundlichen Grüßen,

Kathrin Vogler