Es geht immer um Gerechtigkeit und die Verteidigung der Menschenrechte

Besuch aus Honduras

Als Vorsitzende der Deutsch-Mittelamerikanischen Parlamentariergruppe traf Kathrin Vogler die Honduranerin Esly Emperatriz Banegas zum Gespräch, eine langjährige Gewerkschafterin und die Koordinatorin des COPA von Aguán, einem Dachverband von Gewerkschaften, Jugendorganisationen, Umweltschutzgruppen etc.

In der Coordinadora de Organizaciones Populares del Aguán (COPA) haben sich 1997 insgesamt 26 lokalen Basisorganisationen zusammengeschlossen, Gewerkschaften, kleinbäuerliche Organisationen, ehrenamtliche Gemeinderäte, Bürgerinitiativen, Wasserkomitees, ländliche Kreditgenossenschaften, Umwelt-, Jugend- und Frauengruppen.

Esly ist zudem Mitglied des Komitees für die Verteidigung der Gemeingüter des Bezirks Tocoa, zu dem auch die Gemeinden Guapinol und San Pedro gehören. Das Komitee ist seit Jahren aktiv gegen den zerstörerischen Palmölanbau und die illegalen Eisenerztagebaue in der Region, die als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist.

Kathrin Vogler hatte im April 2023 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, "Die Menschenrechtslage in Honduras und die Mitverantwortung des Bundes in seiner Rolle als Gesellschafter der Flughafen München GmbH", u.a. um eine Stellungnahme zu den Verstrickungen Deutschlands  in die Machenschaften des wichtigsten Großunternehmers in Guapinol, Lenir Perez, zu erhalten. Die Kleine Anfrage war von den deutschen Soli-Gruppen ins Spanische übersetzt worden und liegt den Freundinnen und Freunden in Honduras vor. Hier berichtete Esly im Gespräch von ebenfalls interessanten neuen Entwicklungen.

Die Situation in Honduras: Korruption und Todeslisten

Die Hoffnungen, dass die 2021 gewählte Präsidentin Xiomara Castro den versprochenen Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft aufnimmt, haben sich nicht erfüllt, berichtet Esly. Seit dem Putsch 2009 sind über 150 Oppositionelle ermordet worden. Es gibt Abkommen, auch mit den Indigenas, etwa gegen den Raubbau an der Natur im Norden und auch für eine Entmachtung der alten Seilschaften. Aber die Militarisierung und auch die Polizeigewalt in Tocoa nehmen zu. Es kursieren Todeslisten . Die Grenzen zwischen den großen Unternehmen, Justiz, Polizei und dem organisierten Verbrechen sind fließend, berichtet Esly. Der Regierung fehle der  politische Wille und die Durchsetzungskraft, so sei Anfang 2022 mit Unterstützung der UN eine Kommission gebildet worden, die die Verbrechen an den Menschenrechts- und Umweltverteidiger*innen dokumentieren und so zur Aufklärung beitragen soll. Allerdings wurde dieser Kommission noch nie ein Etat zugewiesen, damit sie ihre Arbeit aufnehmen kann.

Lenir Pérez - einer der Drahtzieher im schwachen Staat Honduras

Der honduranische Geschäftsmann Lenir Pérez und seine Ehefrau Ana Facussé gelten als die mächtigsten Geschäftsmagnaten des Landes. Sie werden zugleich immer wieder mit Fällen von Korruption und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Pérez unterhält direkte Geschäftsbeziehungen nach Deutschland: Über die Tochtergesellschaft „Munich Airport International GmbH“ (MAI) der Flughafen München GmbH (FMG), deren Gesellschafter der Freistaat Bayern (mit 51 Prozent), die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (26 Prozent) und die  Landeshauptstadt München (23 Prozent) sind, leistet die deutsche GmbH in den Bereichen Beratung, Flughafenmanagement und Training Unterstützung für Pérez u.a. für den von Pérez gebauten und teilfinanzierten neuen Flughafen Palmerola in Comayagua/Honduras.

Als Besitzer von zwei Eisenerztagebauen im Nationalpark "Montaña de Botaderos Carlos Escaleras Mejía" wird Lenir Pérez zudem von der Bevölkerung in der betroffenen Region Tocoa für immense Umweltschäden durch die Eisenerzförderung verantwortlich gemacht. Umweltaktivistinnen und Umweltaktivisten kämpfen seit Jahren für den Erhalt des Nationalparks, gegen die Landnahme für den Eisenerzabbau und gegen die durch die Erzförderung und eine illegal errichtete Anlage zur Verarbeitung von Eisenoxid verursachte Vergiftung der Trinkwasservorkommen im Wasserschutzgebiet entlang der Flüsse San Pedro und Guapinol.

Auf Kathrin Voglers Frage in der Kleinen Anfrage aus April 2023, wie die Bundesregierung die Vorwürfe gegen Lenir Pérez in seiner Funktion als Betreiber von Bergbauunternehmen, nach denen er für Menschenrechtsverletzungen, Morddrohungen, Bestechungen und andere Gesetzesverstöße verantwortlich ist, bewertet, hieß es, die öffentlich verfügbaren Informationen über Vorwürfe gegen Lenir Pérez seien bekannt, "Erkenntnisse, dass Lenir Pérez im Zusammenhang mit diesen Vorwürfen rechtskräftig verurteilt worden wäre, liegen der Bundesregierung bislang nicht vor".

Ende April wurde  Lenir Pérez auf seinem Anwesen in Florida vom FBI festgesetzt und verhört. Hintergrund sind seine Verbindungen zu dem wegen Drogenhandels und Waffenbesitzes an die Vereinigten Staaten ausgelieferten honduranischen ex-Präsidenten (2014-2022) Juan Orlando Hernández, während dessen Regierungszeit Pérez den Zuschlag für den Bau des Flughafen Palmerola bekam. Ein weiterer Vorwurf ist die Kooperation zwischen Pérez' Holding EMCO und dem multinationalen US-Stahlunternehmen Nucor, mit dem Pérez mindestens vier Jahre lang das Eisenbergbauprojekt  Inversiones Los Pinares in der Region Tocoa betrieben hat. Inversiones Los Pinares liegt mitten im Nationalpark "Montaña de Botaderos Carlos Escaleras Mejía" und hat seit seiner Betriebsaufnahme  verheerende ökologische Auswirkungen auf die Region; u.a. vergiften die Abwasser der Anlage den  Fluss Guapinol, von dem die Gemeinden und viele Arbeitsplätze abhängig sind.

Esly betonte ihr Unverständnis, dass die deutsche Regierung die Geschäftsbeziehungen zu Pérez weiter aufrechterhält, obwohl alle Anklagepunkte gegen ihn, von Korruption, über weiträumige Naturzerstörung in Guapinol bis hin zu den Vorwürfen, er habe Mordaufträge gegen die widerständige Bevölkerung dort initiiert, öffentlich bekannt und inzwischen auch von den staatlichen Medien umfassend dokumentiert seien.

Kathrin Vogler versprach Esly, mit Bezug auf die US-amerikanischen Ermittlungen gegen Lenir Pérez bei der Bundesregierung  noch einmal nachzuhaken, inwieweit die Geschäftsbeziehungen zwischen dem honduranischen Unternehmer und der „Munich Airport International GmbH“ aus ihrer Sicht weiterhin tragbar sind.