Falscher Doktor Dieter Jasper: Lammert deckt Parteifreund

Kathrin Vogler, MdB

Heute hat der Bundestag unter anderem über den angemaßten Doktortitel von Dieter Jasper, direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Steinfurt III, entschieden. Zur Abstimmung gab Kathrin Vogler eine persönliche Erklärung ab:

Kathrin Vogler, 10.2.2011, Erklärung zur Abstimmung nach §31 GO

Zur Abstimmung der Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 17/4600) gebe ich folgende Erklärung ab:

Ich werde der vorliegenden Beschlussempfehlung nicht zustimmen, obwohl meine Fraktion, wie auch die anderen Fraktionen, sie im Grundsatz so mitträgt. Das will ich erklären.
Die Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses enthält in Anlage 47 den Einspruch eines Wählers aus meinem Wahlkreis 129, Steinfurt III, gegen das Ergebnis der Bundestagswahl in diesem Wahlkreis. Der Wähler führt darin unter anderem an, dass der Stimmzettel für die Wahl nicht korrekt gewesen sei, weil der Kandidat der CDU, Dieter Jasper, dort mit einem Doktortitel aufgeführt war, den er legal nicht hätte führen dürfen, weil dieser bei einer so genannten Titelmühle in der Schweiz gekauft und nicht durch wissenschaftliche Tätigkeit erworben wurde.
Der Wahlprüfungsausschuss stellt wohl richtig fest, dass der Einspruch dieses Bürgers wegen Fristablaufs nicht mehr zulässig sei. Die Einspruchsfrist gegen das Wahlergebnis zur Bundestagswahl beträgt zwei Monate nach der Feststellung des amtlichen Endergebnisses.
Im Fall Jasper war es aber so, dass der Tatbestand der Öffentlichkeit bis nach dem Ablauf der Frist gezielt verheimlicht wurde. Erst im Februar 2010 brachten Medienrecherchen den Skandal ans Licht.
Zu diesem Zeitpunkt hätte nur noch der Präsident des Deutschen Bundestags die Wahl anfechten können.
Ich habe damals den Präsidenten des Hauses angeschrieben und ihn gebeten, die Wahl im Wahlkreis 129 anzufechten und Neuwahlen zu veranlassen. Von vielen Wählerinnen und Wählern habe ich damals gehört, dass sie Herrn Jasper nicht gewählt hätten, wenn sie von seinem Titelbetrug gewusst hätten. Da sein Vorsprung gegenüber dem Mitbewerber von der SPD, Dr. Reinhold Hemker, nicht einmal zwei Prozent der Stimmen betrug, wäre das Direktmandat möglicherweise nicht an Herrn Jasper gegangen, wäre den Wählerinnen und Wählern der Titelkauf vorher bekannt gewesen.
Obwohl der Fristablauf eindeutig und nicht von der Hand zu weisen ist, habe ich den Eindruck, dass in diesem Fall der Ablauf der Einspruchsfrist bewusst oder zumindest fahrlässig herbeigeführt wurde. Nach seinen eigenen Aussagen, zitiert in den Westfälischen Nachrichten, hat Dieter Jasper schon im Oktober 2009 gegenüber dem Bundestagspräsidium offengelegt, dass er den Titel nicht legal hätte führen dürfen. Ich gehe davon aus, dass auch die Fraktionsführung der CDU informiert gewesen sein muss.
Wenn zu diesem Zeitpunkt die Öffentlichkeit über diesen Titelbetrug informiert worden wäre, hätte eine Beschwerde fristgerecht eingereicht werden können. Dass Bundestagspräsident Dr. Lammert diese Mauschelei seines Parteifreunds gedeckt hat, hat mich politisch und menschlich schwer enttäuscht. Zumindest aber hätte der Kollege Jasper den Anstand besitzen können, sein auf Lug und Trug basierendes Mandat freiwillig zurückzugeben. Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind für die Politik unverzichtbar - und beides wurde hier mit Füßen getreten.
Insgesamt stellt sich für mich die Frage, ob die absolute Frist für Wahleinsprüche, die der Rechtssi-cherheit dienen soll, letzten Endes nicht ein Klima der Vertuschung begünstigt, das für die Demokratie womöglich schädlicher ist, als ein geringes Restrisiko der Rechtsunsicherheit.
Endgültig klären könnte diese Frage vermutlich nur das Bundesverfassungsgericht, es sei denn, wir als Gesetzgeber nehmen dies zum Anlass, das Bundeswahlgesetz zu ändern, wofür ich bin. Meine Unterstützung gilt dem Einspruchführer und auch deswegen stimme ich gegen die Beschlussempfehlung.