Gegen Rechtsrock und NS-Verherrlichung am Shoah-Gedenktag

Über 120 Menschen setzten am vergangenen Samstag, 27. Januar 2018, ein starkes Zeichen in Hamm gegen die dort ansässige Neonazi-Szene. Kathrin Vogler sollte eigentlich zu den Demonstrierenden sprechen, war aber leider kurzfristig erkrankt.

Hintergrund für die Kundgebung war ein Rechtsrockkonzert in den Räumlichkeiten der Neonazis im Kentroper Weg 18 in Hamm. Der haekelclub590 rief daher an diesem Tag zu einer Kundgebung gegen Neonazis, Menschenverachtung und NS-Verherrlichung am Shoah-Gedenktag auf.

 

Grußwort im Wortlaut

Gegen die Gleichgültigkeit!

Liebe Freundinnen und Freunde,
leider kann ich wegen einer akuten Erkrankung heute nicht bei euch sein, aber ich möchte euch von Herzen grüßen und eurer Aktion viel Erfolg wünschen. 
Am Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee,
am 27. Januar 1945, befanden sich noch ungefähr 8.000 Menschen im Lager.
Sie hatte man zurück gelassen, weil sie zu schwach, zu krank, zu alt, nicht mehr „marschfähig“ waren.
Die, die noch laufen konnten, hatte die SS, wie in den anderen Vernichtungslagern,
auf einen Marsch in den Tod geschickt:
Zehntausende starben in den Wochen vor Kriegsende in den Straßengräben an Hunger, an Krankheiten und Erschöpfung oder durch die Schüsse ihrer Bewacher.
Zwischen 1940 und 1945 wurden in Auschwitz und Auschwitz-Birkenau
eineinhalb Millionen Menschen ermordet, misshandelt, gefoltert, erschossen, erschlagen, vergast und verbrannt oder verscharrt;
jüdische Menschen, polnische Menschen, Sinti, Roma, Männer und Frauen, Junge und Alte, Kinder.
Die Kinder, viele unter sechs Jahre alt, nur noch Haut und Knochen, mit Gesichtern von Greisen, liefen den sowjetischen Soldaten als erste entgegen, als diese sich am frühen Nachmittag des 27. Januar in Auschwitz Zugang verschafften. 
Das geschah heute vor 73 Jahren.
Seit 2005 ist dieser Tag der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Auschwitz ist das Symbol und die Mahnung für das schlimmste Verbrechen, das Menschen anderen Menschen bisher angetan haben.
Überlebende haben für eine Gedenk-Skulptur in Auschwitz den folgenden Satz ausgewählt:
Erinnert Euch: Wenn Unrecht geschieht, wenn Menschen diskriminiert und verfolgt werden – bleibt nicht gleichgültig. Gleichgültigkeit tötet."
Deshalb sind wir heute hier: um uns zu erinnern
Um mitzufühlen und zu trauern … um die Opfer von Auschwitz und um alle Opfer des Faschismus.
Und sind wir hier, um uns gegen die zu stellen, die heute wieder die Mörder von Auschwitz verehren, die das Menschheitsverbrechen der Shoa leugnen und die heute wieder die Parolen von damals grölen. 
Schon in den ersten zwei Wochen dieses Jahres häufen sich bereits die Meldungen über Schmähungen, Drohungen und Übergriffe aus der rechten Szene:
Da sind zum Beispiel die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in einer Cottbuser Flüchtlingsunterkunft, die tatenlos zusehen, wie afghanische Geflüchtete in ihrer Unterkunft von sechs Deutschen verprügelt werden.. .
Oder da ist die 23jährige Dresdnerin, die ihren Hund auf eine 19-jährige aus Äthiopien hetzt und sie schwer verletzt.
Dann die Gruppe von Jugendlichen, die in Wurzen ein von Migranten bewohntes Haus stürmen und die Bewohner verprügeln.-
In Hamburg warnt der Kinderschutzbund vor so genannten Identitären, die angekündigt haben, die Vormundschaft für minderjährige Flüchtlinge zu übernehmen, um diese zur Ausreise zu drängen- 
Und im Bundestag musste ich erleben, wie ein A*f*D-Abgeordneter in einer Debatte über Klimaschutz sogar den erhöhten CO2-Ausstoß den Geflüchteten in die Schuhe schieben wollte. 
Es gibt noch viele derartige Beispiele. 
Aber dass Neonazis hier in Hamm ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag eines ihrer widerlichen Rechtsrock-Konzerte veranstalten, das ist eine Dreistigkeit ohne Gleichen. Das dürfen wir nicht hinnehmen! 
In einer aktuellen Umfrage heißt es, dass fast jeder zweite Jugendliche in Deutschland nicht weiß, dass Auschwitz-Birkenau ein Vernichtungslager der Nazis im Zweiten Weltkrieg war.
Unsere Gesellschaft vergisst und verdrängt schon zu lange die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich Auschwitz nie wiederholen darf. 
Und jetzt müssen wir voller Entsetzen erkennen, dass Rassisten und Rechtsradikale immer offensiver versuchen, ein Klima des Hasses und der Gewalt zu erzeugen.
Wir dürfen nicht gleichgültig sein!
Und das ist unsere aktuelle Lektion:
Wenn wir heute nicht um das Erinnern und die Lehren aus der Geschichte kämpfen, genauso, wie um die Freiheit, die Würde und den Schutz eines jeden einzelnen Menschen, wenn wir nicht aufstehen gegen rechtsradikale, rassistische, homophobe, antimuslimische, bigotte und nationalistische Menschenfeinde, dann laden wir eine neue Schuld auf uns, die Schuld der Gleichgültigkeit.
In einer Zeit, in der wir so sehr gefordert sind, für ein gerechtes, freies, solidarisches Miteinander aller Menschen einzustehen, dürfen wir niemals gleichgültig sein, wenn Menschen stigmatisiert und verfolgt werden.
Nationalismus ist keine Einstellung, sondern Nationalismus.
Rassismus ist keine Meinung, sondern Rassismus.
Hetze ist nicht die Inanspruchnahme von Redefreiheit, sondern Hetze.

Deshalb:
Verliert nicht den Mut! Seid weiterhin laut und unüberhörbar!
Findet weitere Mitstreiter!
Stellen wir uns den Menschenfeinden entgegen!
Engagieren wir uns für eine demokratische und friedliche Gesellschaft!

Nie wieder Krieg!
Nie wieder Faschismus!

Eure Kathrin Vogler