Erklärung zur vierten Novelle des Arzneimittelgesetzes

Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, gibt nach § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages folgende Erklärung zur vierten Novelle des Arzneimittelgesetzes ab.

 

Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, gibt nach § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages folgende Erklärung zur vierten Novelle des Arzneimittelgesetzes ab.

Erklärung Kathrin Voglers:

Sehr geehrte Damen und Herren,


am Mittwoch haben wir hier in einer sehr kontroversen Debatte quer durch alle Fraktionen über drei Änderungsanträge zu dieser hier vorliegenden Novelle des Arzneimittelgesetzes debattiert und abgestimmt. Dabei ging es um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen nicht einwilligungsfähige Erwachsene als Versuchspersonen in klinische Arzneimittelstudien einbezogen werden dürfen, auch wenn sie davon individuell keinen Nutzen zu erwarten haben. Ich habe hier für die Annahme eines Änderungsantrags geworben, der dies auch weiterhin verbieten und damit die bisher in Deutschland geltenden Gesetzeslage bestätigen sollte.

Die Mehrheit des Parlaments hat sich aber dafür entschieden, alle drei Änderungsanträge abzulehnen und mit dem ursprünglichen Regierungsentwurf diejenige zu wählen, die ich absolut für die schlechtest mögliche halte. Ehrlich gesagt, ich habe nicht damit gerechnet, dass die intensive Beratung in den Parlamentsgremien über ein so brisantes Thema an der absoluten Mehrheit des Hauses so komplett vorbei gehen kann.

Deswegen kann ich das ganze Gesetz heute nur ablehnen, auch wenn sich meine Fraktion für eine Enthaltung entschieden hat.

Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die Erweiterung des Zugriffs der Pharmaforschung auf Menschen, die Ziel, Wesen und Tragweite eines Arzneimittelversuchs nicht erfassen und ihren Willen nicht danach ausrichten können, unethisch und unnötig ist.

Manche Debattenbeiträge der Befürworter am Mittwoch haben mich in meiner Position eher noch bestärkt. Wenn etwa Versuche an lebenden und leidensfähigen Menschen gleichgesetzt werden mit Organspenden Verstorbener, dann sind wir nicht mehr weit entfernt von der Philosophie eines Peter Singer, der den Wert eines Menschen und sein Lebensrecht am Grad seiner Bewusstseinsentwicklung festmacht und zum Beispiel postuliert, dass die Tötung eines behinderten Säuglings sehr oft gar kein Unrecht sei. Einer solchen selektiven Ethik kann ich, auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, nur schärfstens widersprechen.

Dann wurde in der Debatte recht oft darauf hingewiesen, dass ja die Ethikkommissionen schon für ausreichenden Schutz der besonders verletzlichen Personen sorgen würden. Dabei hebelt dieser Gesetzentwurf gerade die Unabhängigkeit der Ethikkommissionen teilweise aus. Dieselbe Behörde, die auch die Arzneimittelstudien genehmigt, soll künftig auch für die Registrierung der Landesethikkommissionen zuständig sein. Und die Voten der Ethikkommissionen sollen nicht mehr verbindlich, sondern nur noch maßgeblich berücksichtigt werden müssen.

In der Kombination erst werden diese beiden scheinbar kleinen Änderungen zu einem potenziell kritischen Einfallstor für unethische Forschung an menschlichen Versuchsobjekten.

Als Gesundheitspolitikerin muss ich die Würde des Menschen und den Respekt vor ihren individuellen und sozialen Rechten viel zu oft gegen die Zumutungen eines kapitalistischen Wirtschaftssystems verteidigen, das Krankheit als Rohstoff und Gesundheit als Ware behandelt und in dem der Mensch als Patientin oder Patient eben nur das Objekt widerstrebender Geschäftsinteressen ist. Für mich sind Menschen, ganz gleich wie schwer beeinträchtigt, erkrankt oder behindert sie sind, niemals als Objekt zu behandeln, auch nicht für einen vermeintlich guten Zweck.

Deswegen stimme ich heute gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung.