GroKo legt bei Gesundheitspolitik hohes Tempo vor

Oft sieht ein Koalitionsvertrag nur grobe Rahmenpunkte vor, um die sich dann im Laufe der Wahlperiode intensiv gekümmert wird. Bei der Gesundheitspolitik ist es dieses Mal weitgehend anders: Am Ende der Koalitionsverhandlungen waren sehr viele Details festgelegt, die nun im Eilgalopp von Bundesgesundheitsminister Gröhe abgearbeitet werden:

Arzneimittel: Zunächst gab es Geschenke an die Pharmaindustrie in Milliardenhöhe, indem der Herstellerabschlag, den die Konzerne den Kassen einräumen mussten, abgesenkt, das Preismoratorium aufgehoben und die Nutzenbewertung der schon auf dem Markt befindlichen Medikamente gestrichen wurde.

Kassen-Finanzierung: Unmittelbar danach wurde zwischen Ostern und Pfingsten ein Finanzierungsgesetz für die Krankenkassen durchs Parlament gedrückt, das für die Versicherten verheerende Folgen haben kann: Zukünftig gibt es keine Obergrenze und keine soziale Abfederung mehr für die Zusatzbeiträge. Und die Arbeitgeber sind aus der Parität, der hälftigen Beteiligung bei der Beitragszahlung, entlassen – zukünftige Kostensteigerungen im Gesundheitswesen gehen dann nur noch zu Lasten der Versicherten.

Pflege: Mitte Oktober wurde ein Pflegegesetz beschlossen, das für die Versicherten einen steigenden Beitragssatz, aber nur unzureichende Erhöhungen bei den Leistungen bringt. Stattdessen sollen Milliarden Euro in einen unsinnigen Vorsorgefonds geparkt werden, der wohl längst den Begehrlichkeiten eines Finanzministers zum Opfer gefallen sein wird, bevor er in 20 oder 30 Jahren den Pflegebedürftigen zugutekommen würde. Die Vorschläge der LINKEN, den Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen und den Pflegekräften wirkliche Verbesserungen zu verschaffen, fanden im Bundestag keine Mehrheit.

Ambulante Versorgung: In den nächsten Wochen wird vom Bundesgesundheitsministerium ein Gesetzentwurf zur Stärkung der Versorgung vor allem im ambulanten Bereich vorgelegt. Es ist zu bezweifeln, dass die geplanten Regelungen zu Termin-Servicestellen und Obergrenzen für Wartezeiten bei Facharztterminen den gesetzlich Versicherten entscheidende Vorteile bringen werden. Ein grundlegendes Übel, nämlich die Zwei-Klassen-Medizin und die Bevorteilung der Privatversicherten bei der Terminvergabe für Arztbesuchen, wird von der GroKo wie erwartet nicht angegangen. Zudem stochern Regierung und Ärzteschaft weiterhin im Nebel: Es gibt keine halbwegs aktuelle Erhebung des regionalen Versorgungsbedarfs und somit auch keine Bedarfsplanung, die das Krankheitsgeschehen, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Ärzten und weiteren Gesundheitsberufen sowie die Mobilität der Patientinnen und Patienten berücksichtigt. Die Vorschläge und Forderungen der LINKEN liegen schon seit vier Jahren vor.

Prävention und Gesundheitsförderung: Armut macht krank! Es dürfte sich mittlerweile bis in die hintersten Kreise der CDU/CSU- und SPD-Abgeordneten herumgesprochen haben, dass die soziale Lage einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit hat. Menschen mit niedrigem Sozialstatus leben in Deutschland durchschnittlich zehn Jahre kürzer als Personen mit hohem Sozialstatus. Dennoch ist zu befürchten, dass auch diese Bundesregierung wieder am Thema vorbei handelt und insbesondere individuelles Verhalten hervorhebt und Gesundheitsförderung nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrnimmt.

Krankenhäuser: Hier tagt derzeit noch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die voraussichtlich zum Jahresende fertig sein wird. Erst danach kann sich das Bundesgesundheitsministerium daran machen, neue Pläne zur Krankenhausfinanzierung zu erstellen und die Rolle der Länder dabei zu definieren.

Korruption: Noch vor zwei Jahren stand DIE LINKE fast allein auf weiter Flur mit der Forderung, Korruption im Gesundheitswesen unter Strafe zu stellen, weil Berufs- und Sozialrecht dazu eben nicht ausreichen. Darum begrüßen wir, dass das federführende Justizministerium diese Forderung nun endlich aufgreifen will. Fraglich wird aber noch sein, auf was das Gesetz, das für Anfang nächsten Jahres angekündigt ist, abzielen wird: Es darf nicht nur darum gehen zu verhindern, dass sich eine Pharmafirma ein bestimmtes Verschreibungsverhalten von Ärztinnen und Ärzten erkauft und dadurch einen wettbewerblichen Vorteil verschafft. Für die Kranken ist entscheidend, dass sie die Behandlung erhalten, die ihnen gesundheitlich am meisten nützt und nicht die, die am besten fürs Portemonnaie der Ärzte sind.

eCard und eHealth: Noch für dieses Jahr ist ein eHealth-Gesetz angekündigt, bei dem es um die Ausweitung telemedizinischer Anwendungen gehen soll. Zweifelsohne ist heute durch vermehrten Technikeinsatz vieles möglich: Telemonitoring kann Arztbesuche überflüssig machen oder zu einem früheren Zeitpunkt automatische Warnungen vor gesundheitlichen Problemen auslösen. Dennoch gilt es bei aller Euphorie genau hinzuschauen, ob die Versprechungen der Technikindustrie zutreffen, und wieviel Geld dadurch im Gesundheitssystem gebunden wird, das für andere Behandlungen und Diagnostik nicht zur Verfügung steht. Zudem will die Bundesregierung damit bei der eCard weiter auf die Tube drücken. Kathrin Vogler und DIE LINKE werden dieses Gesetz darum aufmerksam und kritisch beobachten.