Bundesregierung will patientenfeindliche Änderung im Arzneimittelgesetz vornehmen

Rede im Deutschen Bundestag

In ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 14. April 2016 erläutert Kathrin Vogler, warum die von der Bundesregierung geplante Umsetzung einer EU-Verordnung zur Durchführung von klinischen Studien patientenfeindlich ist. Zum einen will die Bundesregierung im Rahmen dieser Novellierung des Arzneimittelgesetzes die Unabhängigkeit von Ethikkommissionen bei der Genehmigung klinischer Studien beschneiden. Zum anderen will sie eine Genehmigung von Arzneimittelstudien nicht mehr von der Zustimmung einer Ethikkommission abhängig machen.

In ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 14. April 2016 erläutert Kathrin Vogler, warum die von der Bundesregierung geplante Umsetzung einer EU-Verordnung zur Durchführung von klinischen Studien patientenfeindlich ist. Zum einen will die Bundesregierung im Rahmen dieser Novellierung des Arzneimittelgesetzes die Unabhängigkeit von Ethikkommissionen bei der Genehmigung klinischer Studien beschneiden. Zum anderen will sie eine Genehmigung von Arzneimittelstudien nicht mehr von der Zustimmung einer Ethikkommission abhängig machen.

Zudem versäumt es die Bundesregierung, andere gravierende Missstände wie zum Beispiel Lieferengpässe oder sogenannte Anwendungsbeobachtungen, die in großem Stile reine Marketingmaßnahmen der Industrie sind und wo jährlich etwa 100 Millionen Euro von der Pharmaindustrie an die Ärzteschaft fließen, anzugehen.

Im Wortlaut

Herr/Frau Präsident/in,

sehr geehrte Damen und Herren,

heute diskutieren wir eine Novelle des Arzneimittelgesetzes, die vor allem europäisches Recht  umsetzen soll und in der vieles, aber leider nicht alles unstrittig ist. Die Vorgeschichte zu diesem Gesetzentwurf ist eine EU-Verordnung zur Durchführung von klinischen Studien – und in diesem Zusammenhang möchte ich an etwas erinnern, was es in diesem Hause nicht alle Tage gibt:

Unter den Gesundheitspolitikern konnten wir uns nämlich vor 3 Jahren auf gemeinsame Forderungen einigen, für sich die Bundesregierung in Brüssel bei der Erstellung dieser EU-Verordnung einsetzen sollte. Dabei waren sich alle Fraktionen des Hauses einig.

Gemeinsam kritisierten wir damals – ich zitiere aus den wortgleichen Anträgen von CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen und LINKEN:

„Der Verordnungsvorschlag sieht nicht länger das zustimmende Votum einer unabhängigen, interdisziplinär besetzten Ethikkommission verpflichtend vor. Somit muss das geplante Forschungsvorhaben nicht zwingend vor seinem Beginn einer von der Zulassungsbehörde unabhängigen Einrichtung zur Beratung und Zustimmung vorgelegt werden.“

Und darum forderten alle Fraktionen dieses Hauses:

„Unabhängige, interdisziplinär besetzte Ethikkommissionen müssen weiterhin in das Genehmigungsverfahren (…) einbezogen werden. Dabei darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die Ethikkommission die im Antrag enthaltenen ethischen Aspekte (…) zustimmend bewertet hat.“

Herr Minister Gröhe, Sie waren damals nicht für Gesundheitspolitik zuständig und können sich deshalb vielleicht nicht an diese einstimmige Entscheidung erinnern. Aber trotzdem wundert es mich, warum Sie nun gleich an zwei Stellen diesen erklärten Willen des Bundestages ignorieren:

Erstens wollen Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Genehmigung klinischer Studien nicht mehr zwingend von der zustimmenden Stellungnahme der zuständigen Ethik-Kommission abhängig machen. Einem solchen Rückfall hinter die einst gemeinsam gefassten Beschlüsse wird meine Fraktion nicht zustimmen können.

Zweitens wollen Sie die Unabhängigkeit der Ethikkommissionen beschneiden, indem sie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für die Registrierung von Ethikkommissionen zuständig machen wollen.

Warum ist dies eine Gefahr für deren Unabhängigkeit? Weil das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gleichzeitig für die Genehmigung der Studien zuständig ist. Diese Verquickung, dass ein und dieselbe Bundesbehörde dafür zuständig sein soll, Studien zu überwachen und zu genehmigen und gleichzeitig deren ethische Kontrolle zu regulieren, ist ein potenzielles Einfallstor für Korruption und wird deshalb von uns abgelehnt.

Belassen Sie es doch bei dem bewährten Zwei-Säulen-Prinzip, bei dem ein Antrag auf Durchführung einer klinischen Prüfung unabhängig voneinander durch eine Bundesoberbehörde und durch nach Landesrecht geformte Ethikkommissionen bewertet wird.

Darüber hinaus möchte ich Sie aber auch auffordern, diese Gesetzesnovelle zu nutzen, um einige wichtige und drückende Probleme im Arzneimittelbereich anzugehen:

Erstens: Machen Sie nicht weiter die Augen zu vor den Gefahren der Lieferengpässe. Im Pharmadialog haben Sie mit den Unternehmen lediglich regelmäßige Gesprächstermine verabredet. Was wir aber benötigen, wären zumindest eindeutige Meldepflichten!

Zweitens: Verschließen Sie auch die Augen nicht weiter vor den Bemühungen der Pharmakonzerne, Einfluss auf das Verordnungsverhalten von Ärztinnen und Ärzten zu nehmen. Im Antikorruptionsgesetz fehlt jeglicher Hinweis auf diejenigen Anwendungsbeobachtungen, die in großem Stile reine Marketingmaßnahmen der Industrie sind. Etwa 100 Millionen Euro jährlich fließen hier weitgehend unkontrolliert und unbeobachtet von der Pharmaindustrie an die beteiligten Ärzte. Dieses Problem lösen Sie mit dem heute verabschiedeten Antikorruptionsgesetz nicht und auch im Pharmadialog haben Sie nicht eine Runde darauf verschwendet. Es wird allerhöchste Zeit, dass hier ein Riegel vorgeschoben wird und zur Überwachung von Arzneimittelwirkungen auch nach der Zulassung nur noch ordentliche Studien nach wissenschaftlichen Kriterien erlaubt werden.

 

In diesem Sinne hoffe ich, dass das Gesetz in den anstehenden Beratungen noch verbessert wird. DIE LINKE wird sich dafür stark machen.