Geplantes Gesetz zur Finanzreform der Krankenkassen schafft erhebliche soziale Ungerechtigkeiten

Rede im Bundestag

Die große Koalition will bis zum Sommer ein Gesetz verabschieden, mit dem der Arbeitgeberanteil an den Krankenversicherungsbeiträgen eingefroren wird und zukünftige Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen komplett auf die Versicherten abgewälzt werden. Zugleich soll die Gründung eines Qualitätsinstituts auf den Weg gebracht werden, das in Zukunft auch Daten zur Bewertung von Krankenhausbehandlungen liefern soll. Während Harald Weinberg in seiner Rede erläutert, warum die Finanzierungsvorhaben in diesem Gesetz zutiefst unsozial sind und welche Gegenvorschläge DIE LINKE hat, geht Kathrin Vogler auf die Ursachen von Qualitätsdefiziten insbesondere bei der stationären Versorgung ein und führt aus, warum die Einrichtung eines Qualitätsinstitut für die Patientinnen und Patienten nicht hilfreich ist, wenn nicht gleichzeitig die Krankenhäuser mehr Geld für mehr Personal erhalten. „Vom Wiegen allein wird die Sau nicht fett!“

 

Rede von Kathrin Vogler, MdB (DIE LINKE) im Deutschen Bundestag am 09.05.2014 zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung ("GKV-Finanzstruktur- und Quatlitäts-Weiterentwicklungsgesetz-GKV-FQWG"), BT-Drs. 18/1307

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren!

 

Wir haben heute schon einiges über Qualität gehört. Vor allem beim Minister habe ich mich gefragt, woher er die ganzen geschmeidigen, schönen Worthülsen nimmt. Ich möchte nun etwas konkreter werden und deutlich machen, worum es eigentlich geht.

(Christian Hirte (CDU/CSU): Da bin ich jetzt gespannt!)

Herr Kollege, kennen Sie das Buch Keimzelle Krankenhaus?

(Christian Hirte (CDU/CSU): Das kenne ich!)

Darin schildert der WAZ-Reporter Klaus Brandt eine umfangreiche Recherche in nordrhein-westfälischen Krankenhäusern. Der Befund ist einigermaßen erschreckend. Immer mehr Menschen infizieren sich im Krankenhaus mit multiresistenten Erregern. Allein in Duisburg starben im Jahr 2012  25 Menschen am gefürchteten MRSA-Keim. Anderswo sieht es nicht wesentlich besser aus, wie wir alle wissen. Immer wieder erhielt der Journalist deutliche Hinweise darauf, welches die Ursachen sind. Die nötigen Hygienemaßnahmen sind sehr wohl bekannt. Aber unter dem Druck der Arbeitsverdichtung hat das Personal immer weniger Zeit und Möglichkeit, diese auch einzuhalten. Überbelegte Stationen, viel zu wenige Pflegekräfte und externe Reinigungsdienste, die unter irrsinnigen Akkordvorgaben arbeiten ‑ wer wundert sich da noch über Hygienemängel? Im letzten Jahr rechnete uns die Gewerkschaft Verdi vor, dass in deutschen Krankenhäusern 162 000 Vollzeitkräfte fehlen. Das ist doch ein Skandal. Das ist der Kern aller Qualitätsprobleme.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum ist das so? Sie alle gemeinsam haben in den letzten Jahrzehnten die Krankenhäuser systematisch zu Unternehmen gemacht, in denen die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund steht. Wirtschaftlichkeit ist das oberste Gebot. Gleichzeitig haben CDU/CSU, SPD und auch Grüne in den Ländern, in denen sie regieren, mit Schuldenbremsen und Spardiktaten dafür gesorgt, dass die notwendigen Investitionen in die Krankenhäuser unterblieben sind, zum Beispiel bei uns in Nordrhein-Westfalen. So sparen die Krankenhäuser, wo es geht. Das ist in der Regel beim Personal. Genau das gefährdet die Patientinnen und Patienten. Deswegen fordert die Linke seit Jahren ein Bundesprogramm, das dazu dient, den Ländern zu helfen und diesen gefährlichen bzw. lebensgefährlichen Investitionsstau in den Krankenhäusern endlich zu beheben, leider ohne Unterstützung der anderen Fraktionen in diesem Haus.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN ‑ Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben noch nicht mal die eigenen Leute!)

Welche Medizin verordnen Sie von der Großen Koalition nun diesem kranken Gesundheitswesen? Sie wollen ein Qualitätsinstitut gründen, das in Zukunft Behandlungsqualität in den Krankenhäusern misst und die Ergebnisse allgemeinverständlich für die Patientinnen und Patienten kommuniziert. Daran ist erst einmal nichts Falsches. Gegen ein solches Institut ist überhaupt nichts einzuwenden. Aber es ist kein Quantensprung - um dem Kollegen Lauterbach zu widersprechen. Bei uns im Münsterland weiß jeder Landwirt: Vom Wiegen allein wird die Sau nicht fett.

Das Projekt DSDS, Deutschland sucht das Superkrankenhaus, ist nämlich laut Koalitionsvertrag nur der erste Schritt. In einem zweiten Schritt ‑ das haben Sie, Herr Spahn, Herr Gröhe, gerade gesagt ‑ wollen Sie dann diese Messergebnisse zum Maßstab der Finanzierung der Krankenhäuser machen. Das bedeutet, dass die Häuser, in denen der wirtschaftliche Druck schon am meisten auf die Qualität durchgeschlagen hat, hinterher noch weniger Geld bekommen. Ob das dazu führt, dass diese Krankenhäuser besser werden, muss man, glaube ich, bezweifeln. Nein, das führt zu weiterem Bettenabbau, zu noch mehr Klinikschließungen und am Ende zu einem noch höheren Druck in den verbleibenden Häusern. Es kann sogar ein Anreiz dafür werden ‑ das finde ich besonders gefährlich ‑, dass sich die Häuser speziell um Patientinnen und Patienten mit unkomplizierten Erkrankungen bemühen, die dann hinterher mehr Qualitätspunkte versprechen. Das wäre wirklich eine Gefahr für die Patientinnen und Patienten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und der SPD, wenn Sie wirklich mehr Qualität im Krankenhaus wollen, dann kommen Sie einfach nicht darum herum, Geld dafür in die Hand zu nehmen, und zwar nicht nur 14 Millionen Euro für ein Qualitätsinstitut. Die Krankenhäuser brauchen mehr Geld für Investitionen, sie brauchen mehr Geld für Personal, für bessere Arbeitsbedingungen, für höhere Löhne, für die Rücknahme von Privatisierung und Outsourcing. Das ist nämlich die Voraussetzung für höhere Qualität. Dafür wird sich auch die Linke einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)